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Frei zugänglich und kulturell hochwertig? Zur Zugänglichkeit von Libre- und Open-Access-Quellen in der Kunst, der Kunstgeschichte sowie im kulturellen Umfeld

Published onDec 08, 2023
Frei zugänglich und kulturell hochwertig? Zur Zugänglichkeit von Libre- und Open-Access-Quellen in der Kunst, der Kunstgeschichte sowie im kulturellen Umfeld
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Abstract

Nutzung und Zugang digitaler Quellen sind in den Künsten, der Kunstgeschichte und dem kulturellen Sektor von widersprüchlichen Interessenslagen und mangelnden Verzeichnisstrukturen geprägt. Einerseits treffen lizenzbasierte Vergütungskonventionen und Exklusivitätsansprüche nahezu unversöhnlich auf Konzepte von Open Access und Open Science. Andererseits sind die wissenschaftlichen, kulturellen und administrativen Bedürfnisse und Vorgaben der unterschiedlichen Stakeholder so different und fest in historische und institutionelle Strukturen eingewoben, dass ein undurchsichtiges Dickicht an Informationsangeboten und Forschungsclustern entstanden ist, unter denen kaum Daten ausgetauscht werden.
Schlagwörter: Kulturdaten, Open Access, Vermittlung

Freely available and culturally valuable? Accessing Open Access sources in art, art history, and the cultural sphere

The use of, and access to, digital sources in the arts, art history and cultural sector are characterised by conflicting interests and a lack of directory structures. On one hand, license-based demands and a desire for exclusivity seem to clash irreconcilably with concepts of Open Access and Open Science. On the other hand, the administrative and institutional structures of the various stakeholders are so different and so firmly woven into historical and institutional frameworks that an opaque web of information provision and research clusters has emerged, which seldomly exchange data.
Keywords: Cultural data, open access, mediation

Einleitung

Wie die Diskussion um die sogenannten Commons als Gemeingut verdeutlicht, hat Zugang viel mit Macht und Insiderwissen zu tun. Das zeigt sich auch beim Zugang zu digitalen Quellen im Umfeld der Kunst-, Kunstgeschichts- und Museumsbibliotheken. So können die fünf Stakeholdergruppen, die beim digitalen Quellenzugang in diesem Umfeld massgeblich beteiligt sind, gemäss ihrem Mitsprachegefälle wie folgt benennt werden: a) Politik und Forschungsagencies b) Universitäts- und Hochschulbibliotheken, c) Museen, Ausstellungshäuser und deren Bibliotheken, d) Hochschul- und/oder Institutsangehörige, e) die Öffentlichkeit. Trotz des Primats der Freiheit von Forschung und Lehre1 motivieren a) über die Mittelvergabe, Förderrahmen und Leistungsaufträge b) und c) dazu, d) darin zu unterstützen, die von a) gewünschte Performanz zu erbringen und mit e) zu kommunizieren. Die Kunstschaffenden und Gestaltenden gehören in der Regel zur Gruppe d) oder e). Hinzu kämen als wichtige Treiber der kulturellen Märkte eigentlich noch Grossanlässe wie Ausstellungen (zum Beispiel DOCUMENTA2, BIENNALEN3 et cetera) und Mode-, Industrie- et cetera -Shows, Festivals (Filmfestivals,4 ARS ELECTRONICA,5 TRANSMEDIALE,6 ISEA7 et cetera) sowie internationale Fachmessen. Da den Autoren aber keine Projekte bekannt sind, die deren oft nur temporär online aufgeschalteten Informationen und/oder Materialsammlungen systematisch dokumentieren/aufbewahren würden, bleiben sie als bisher nicht gehobene Quelle ausgeklammert.8 Aufgrund der Breite der Nutzungsgruppen, die häufig nicht mit Hochschulen affiliiert sind, wird der Fokus auf frei zugängliche, nichttextuelle Quellen gelegt.

Perspektive und Interessen

Der Text nähert sich dem dennoch ausufernden Thema digitaler Quellen des kulturellen Sektors (folgend auch verkürzt „Kulturdaten“ genannt) aus der Perspektive einer schweizerischen Kunsthochschulbibliothek. Die Ambivalenz zwischen Handlungspotentialen und Restriktion ist hier deutlich spürbar, weil die Quellen nicht in Form eines Zitats in ein rahmendes Textwerk eingebunden, sondern mitunter direkt als Werk, werkrepräsentierende Abbildungen, Dokumentationen oder Methode zugänglich gemacht werden sollen/müssen (vgl. Niehoff, 2020). Sie dienen also weniger als Argument (vgl. Grünewald, 2010), sondern sind Gegenstand des aktiven (Forschungs-)Datenlebenszyklus: sie werden in Forschung und Lehre produziert, aufbereitet, analysierend nachgenutzt und zugänglich gemacht.9

Die betroffenen Quellenarten liegen zwar oft digital vor. Aber im Unterschied zu gemeinfreien Digitalisaten vergangener Epochen sind Urheberschutz,10 Daten- und Persönlichkeitsschutz (Dritter) sowie verwandte Schutzrechte in der Regel noch aktiv.11 Hinzu kommt, dass Daten der Gegenwartskünste oft (technisch) divers sind: Sie bestehen aus multimedialen Dateien, die mitunter intern strukturell vernetzt sind (zum Beispiel Websites, Cluster Datensätze, „nested objects“).12 Ihre technische Struktur entzieht sich bisher oft einer formalen Zuschreibung13 sowie der systematischen, automatisierten Indexierung.14 Zudem weisen die Daten variierende Erschliessungstiefen und oft wenig/nicht harmonisierte Beschreibungsformen auf.15

Gliederung

Was die Recherche und Rezeption betrifft, kann theoretisch auf beachtliche Mengen an digitalisierten, historischen Kulturgütern zugegriffen werden. Wo diese aufzufinden sind und wie ihr Zugang gestaltet ist, hat nicht nur mit Sammlungs- und Publikationspolitiken oder Förderinitiativen zu tun, sondern, wie später verdeutlicht wird, auch mit den Workflows und Konventionen der Bibliotheken und ihrer Mitarbeitenden. Daher benennt ein speditiver Rückblick auf wissenschaftliche Förderrahmen zunächst Orte und Infrastrukturen, wo digitale Kulturdaten erwartet werden könnten und/oder öffentlich zugänglich sind. Anschliessend wird die Zugangsfrage aus der Nutzungsperspektive konkretisiert. Während sich die Kunsthochschulbibliotheken ein Stück weit den Sachzwängen der kommerzialisierten Datenmärkte entziehen können, wenn sie selbst zu Herausgeberinnen der hauseigenen sowie angesammelten Quellen werden, stellt sich als komplementärer Gegenpart die Frage, inwiefern frei zugängliche Quellen von den Kunst- und Kunstgeschichtsbibliotheken überhaupt wahrgenommen werden.16 Eine Referenzenanalyse zu Informationsangeboten auf den Vermittlungswebseiten der schweizerischen Kunst-(geschichts-) Bibliotheken verdeutlicht, dass vor allem Lizenzprodukte beworben werden. Frei zugängliche Kulturportale sind kaum ausgewiesen, was als Indikator für die gelebte Vernetzungs- und Informationspraxis betrachtet werden kann.

Im Ausblick wird daher überlegt, wie sich Kunst- und Museumsbibliotheken in Anbetracht der geschilderten Sachlage als Kreativraum, Mediensammlung und Informationszentrum positionieren und ihre Wirkung durch Kooperation und Kollaboration verbessern können.

Digitale Quellen und ihr Zugang

Seit den späten 1990er Jahren hat sich viel mit Blick auf die freie Verfügbarkeit digitaler, nicht (primär) textueller Quellen getan. 1997 hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) begonnen, die Digitalisierung und Erschliessung zunächst der historischen,17 dann immer weiterer Bestandsgruppen zu finanzieren.18 Analoge Förderprogramme wurden auch in der Schweiz und in Österreich lanciert. Hinzu kamen auf nationaler und europäischer Ebene sowie weltweit eine unüberschaubare Menge an privaten, staatlichen, über Crowdfunding oder anderwärtig finanzierten Förderinstrumenten und -initiativen.

Die Geschichte der Digitalisierungsprogramme zu rekonstruieren, wirkt heute ähnlich komplex, wie einen vollständigen Überblick über die gewaltigen Mengen an so verstandenen digitalen „Kulturdaten“ zu erhalten. Aus einer operativen Perspektive lassen sich zwei grosse Quellenfelder unterscheiden: jenes, das wissenschaftliche Infrastrukturen nutzt und jenes, das in kulturellen Kontexten eingebunden und von den zugehören Institutionen angeboten wird.

Wissenschaftliche Infrastrukturen

Zwar wurden seit den 2010er Jahren immer systematischer fachliche, teils auch transdisziplinäre Nationaler Förderinfrastrukturen (NFDI) aufgebaut,19 aber eine repositorienübergreifende Rechercheplattform oder Suchmaschine, die bis auf die Quellenebene herabreichen würde, sucht man bisher vergeblich.

Mit Blick auf die NFDIs wären die NFDI4CULTURE,20 NDFI4MEMORY,21 sowie NFDI4OBJECTS22 und ihre Partnereinrichtungen wichtig. Hinzu kommt aus dem Umfeld der Digital Humanities die DIGITAL RESEARCH INFRASTRUCTURE FOR THE ARTS AND HUMANITIES (DARIAH-EU)23 sowie in der Schweiz das SWISS NATIONAL DATA AND SERVICE CENTER FOR THE HUMANITIES (DaSCH)24. Als institutionsübergreifende Repositorien für die Künstlerische Forschung ist der RESEARCH CATALOGUE25 zu erwähnen, von dem Hochschulinstanzen für einzelne Partner bestehen.26 Zudem sind fünf peer-reviewte Platin-Access Fachzeitschiften angegliedert.27 In Österreich wird seit einigen Jahren PORTFOLIO & SHOWROOM28 eingeführt.

Während die genannten Plattformen teilweise eine übergreifende Suche innerhalb des jeweiligen Kosmos ähnlich wie bei ZENODO29 anbieten, haben sich, global betrachtet, eher Meta-Verzeichnisse wie RE3DATA30 und OPENDOAR31 etabliert, welche die Fachrepositorien systematisch verzeichnen. Hinzu kommen Linksammlungen wie das PORTAL WISSENSCHAFTLICHE SAMMLUNGEN32 in Deutschland, kooperative Suchportale wie beispielsweise der FACHINFORMATIONSDIENST (FID) DARSTELLENDE KUNST33 oder in der Schweiz die kooperativ aufgebauten Sammlungen der E-MANUSCRIPTA,34 E-RARA35 und E-PERIODICA36. Mit Blick auf die Materialien der Künste seien der Verbund des MATERIALARCHIVs,37 das ARCHIV FÜR TECHNIKEN UND ARBEITSMATERIALIEN ZEITGENÖSSISCHER KÜNSTLER:INNEN (ARTEMAK)38 sowie die textile Mustersammlung SILK.MEMORY39 genannt. Erwähnt seien ferner beispielsweise die GRAFISCHE SAMMLUNG der ETH40 sowie bedingt das RECHERCHEPORTAL von SIK-ISEA41.

Kulturelle und wissenschaftliche Datenportale

Auch bei den deutschsprachigen musealen Sammlungen ist Digitalisieren ein dynamisches Themenfeld (vgl. Franken-Wendelstorf, Greisinger, Gries, & Pellengahr, 2019; Westendorff, 2020), obwohl die technischen Infrastrukturen zur dauerhaften und/oder öffentlichen Zugänglichmachung kaum mit jenen der Hochschulen zu vergleichen sind.42 Vielleicht werden die Prioritäten aber auch anders gesetzt als beispielsweise im englischsprachigen Kulturraum.43 2017 hat das MUSEUM FÜR KUNST UND GEWERBE HAMBURG44 als eine der ersten deutschen Sammlungen eine Open-Access-Strategie vorgelegt.45 Als Online-Sammlung mit seinen „1.000 Möglichkeiten, die Sammlung zu entdecken“ kann zudem das STÄDEL MUSEUM46 in Frankfurt am Main erwähnt werden. Die grossen europäischen Kunstsammlungen haben mittlerweile quasi alle Webseiten, über die teilweise auch Auszüge der Sammlungen zugänglich sind. Ferner verbreiten einige diese Inhalte auch über die 2005 gegründete EUROPEANA.47 Was die dokumentierende Verzeichnung von Kunstschaffenden, Ausstellungen und teilweise auch von Werken der Gegenwartskunst der europäischen Länder betrifft, ist das institutionsübergreifende EUROPEAN ART NET (EAN)48 zu nennen. Zudem hat die Wikidata49 auch im Kunstkontext in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Sie nimmt als offenes, teils selbstorganisiertes, globales Datensystem des WIKIVERSUMs50 auch Sammlungs- und Normdaten unterschiedlichster Quellen auf.

Überschaubarer und auf das foto-, videografische und filmische Schaffen fokussiert, verlinkt die MEMOBASE51 wichtige kulturelle Bestände der Schweiz. Hinzu kommen auf nationaler Ebene Sammelportale wie museums.ch oder die kantonalen Archive,52 die jeweils die Onlinesammlungen (inklusive der teilnehmenden Stakeholder) referenzieren. Aus dem privat(-wirtschaftlich)en Umfeld der Gegenwartskunst gehören zumindest in der Schweiz das Suchportal ARTLOG53 sowie teilweise ART2454 zu wichtigen Rechercheinstrumenten. Nicht zuletzt können sich in die Datenbank KLEIO COMMUNITY55 die Kunstschaffenden selbst einkaufen und -schreiben, um ihr Schaffen öffentlich zu machen. Damit wird zugleich das ausufernde (Information-)Marktsegment kleiner, teils kommerzieller, teils privater Anbieter erreicht, das sich einer wissenschaftlichen Erschliessung jenseits von Fallbeispielen entzieht.

Während die historischen Bestände vieler Universitäten von den jeweiligen Bibliotheken verwaltet und zugänglich gemacht werden,56 sieht dies im musealen Umfeld aufgrund des Werkcharakters, der infrastrukturellen und personellen Ausstattung, den Policies et cetera mitunter anders aus.57 Das verdeutlicht ein Blick auf die Themen der 1995 gegründeten ARBEITSGEMEINSCHAFT DER KUNST- UND MUSEUMSBIBLIOTHEKEN (AKMB58) und die zugehörige Fachzeitschrift AKMB-NEWS: INFORMATIONEN ZU KUNST, MUSEUM UND BIBLIOTHEK.59 Der nominelle Zusammenschluss von Galerien, Bibliotheken, Archiven und Museen im Akronym des GLAM vernachlässigt die organisatorischen Unterschiede, die zu unterschiedlichen Zahlungs- und Zugangsmodalitäten bei kostenpflichtigen Lizenzprodukten oder auch die Zugänglichkeit und Vernetzung der Katalogsysteme, Repositorien und Publikationsprozesse (inklusive Websites) wirksam werden. Hingegen entfallen im Feld frei zugänglicher Quellen, dem sogenannten openGLAM, einige der administrativ-rechtlichen Hürden, die durch die institutionellen Settings, die Affiliierungs- und Organisationsformen sowie die Nutzungsstrukturen entstehen.60 Einen Meilenstein für die Zugänglichkeit des openGLAM stellt die Untersuchung von Wallace & McCarthy (2019) dar, die eine bemerkenswerte Fülle an digital zugänglichen Quellen auflistet.61 Auch wenn viele der Quellen eher „Libre“ als „Open“ Access (im bibliothekarischen Sinne) sind.62 Das Ziel in „[m]aking GLAM data available as machine readable data“ besteht, wie Anne Luther ausführt, darin „that the data is provided in a structure that can be reshaped, cleaned and edited“ (Luther, 2020, pp. 449-450). Da für diverse Nutzungsszenarien in Lehre und Forschung eine (audio-visuelle) Sichtung „genügt“, gewinnen diese openGLAM-Quellen sukzessive an Bedeutung im kulturellen Sektor.

Produktion und Referenzierung kultureller Daten(-Quellen)

Ungeachtet der rechtlichen, administrativen und technischen Anforderungen wächst in der Forschung, Öffentlichkeit und Politik die Erwartungshaltung gegenüber den Bibliotheken. Sie sollen mehr und freiere Zugangsformen zu Quellen und Forschungsresultaten bereitstellen, um gesellschaftliche Teilhabe, soziale Verantwortung, Nachhaltigkeit sowie historische Aufarbeitungsarbeiten (Depatriarchalisierung, Dekolonialisierung et cetera) zu ermöglichen. Mit Blick auf die Dekolonialisierung der Bibliotheken sei auf das NETZWERK DEKOLONIALISIERUNG VON BIBLIOTHEKEN IM DACH-RAUM63 sowie das IFLA TOOLKIT: LIBRARIES, DEVELOPMENT AND THE UNITED NATIONS 2030 AGENDA (2017)64 verwiesen.

Die Schnittstellenfunktionen der Kunsthochschulen, die in der Schweiz oft den Zugang zu performanten Dateninfrastrukturen impliziert, ermöglichen es, nicht nur aktuelle Lehr- und Forschungsresultate, sondern auch historische und/oder akquirierte (Sonder-)Sammlungen teils frei zugänglich zu machen.65 Hochwertigen Quellensammlungen finden sich im ARCHIV FÜR MEDIALE KÜNSTE DER KUNSTHOCHSCHULE FÜR MEDIEN KÖLN,66 im MEDIENARCHIV DER ZHdK (Zürcher Hochschule der Künste),67 dem INTEGRIERTEN KATALOG68 (Hochschule für Gestaltung und Kunst FHNW Basel) und anderen. Welche Mehrwerte Kunsthochschulen mit frei verfügbaren Quellen assoziieren und wie deren Rezeption in der Theoriebildung durch die Kunstgeschichte zu sein scheint, ist daher Gegenstand des folgenden Abschnitts.

Kunsthochschulen und ihre Informationsquellen

Der Aufbau offener Sammlungen ist an den Kunsthochschulbibliotheken insofern wichtig, als werk- und bildbasierte Quellen der Gegenwartskünste verstreut publiziert, oft schwer oder gar nicht automatisiert indexierbar und nicht selten nur über (private, nicht verzeichnete) Websites zugänglich gemacht werden.69 Während Plattformen wie UBUWEB70 und MONOSKOP71 als „grau“ gelten, haben Film- und Videoanbieter wie ELECTRONIC ARTS INTERMIX72 oder auch FILMFRIEND73 paketbasierte Edu-Produkte für die institutionelle Lehre und Forschung entwickelt. Für andere Dateneigner aus diesem Umfeld wie MEDIENKUNSTNETZ74 (Karlsruhe), LIMA75 (Amsterdam), DEAPPEL76 (Amsterdam), ARGOS – INTERDISCIPLINARY CENTRE FOR ART AND AUDIOVISUAL MEDIA77 (Brüssel), STIFTUNG IMAI78 (Düsseldorf), STIFTELSEN FILMFORM79 (Stockholm), kritische Plattformen wie E-FLUX80 oder weiter gefasst V281 (Rotterdam), C3 CENTER FOR CULTURE & COMMUNICATION82 (Budapest) besteht aus infrastrukturellen, urheberrechtlichen sowie weiteren administrativen Gründen diese Option nicht (Zitatrecht). Im Bildbereich ist mit Blick auf Public Domain Bilder beispielsweise auf die Zusammenstellung von Angelika Schoder für MUSERMEKU83 zu verweisen sowie traditionellerweise auf das BILDARCHIV FOTO MARBURG84 mit seinen unterschiedlichen Indices. Im Feld der lizenzierbaren Bilddatenbanken für Kunstgeschichte hat sich PROMETHEUS85 durchgesetzt. Insgesamt können die Kunsthochschulbibliotheken aber dem steigenden Kostendruck einer kontinuierlich wachsenden Lizenzproduktpalette nicht in der gewünschten Breite Folge leisten.86 Sie sind auf freie sowie selbst kuratierte Inhalte angewiesen, die dann verlinkt werden können.

Während die Fülle an instituts- oder projektbezogene Websites, die nicht in Hochschularchiven oder Fachrepositorien nachgewiesen sind (oder werden können), als Indiz für die Relevanz dieser Publikationsform innerhalb der Fach-Community gesehen werden kann,87 kommt auf der Seite der kommerziellen Drittanbieter (zum Beispiel LIBRARY STACK,88 DIS.Art89 et cetera) hinzu, dass diese immer häufiger mit phishingartigen Methoden Hochschulinhalte direkt an der Quelle, bei Studierenden, Forschenden und Dozierenden abgreifen. Die Werke werden dann in die plattformbasierten Bezahlprodukte integriert und den Hochschulbibliotheken zur Lizenzierung teuer angeboten. Die Quellen verschwinden damit fast immer vom freien Markt offener Inhalte.90

Für den vorliegenden Kontext ist diese Entwicklung nicht nur wegen der Zugangsfrage relevant. Bemerkenswert ist, dass diese Plattformen oft genau jene Community-Komponenten zur institutionsübergreifenden Vernetzung mit der Fachcommunity offerieren, die die akademischen, sozialen Netzwerke (ACADEMIA, RESEARCHGATE, LINKEDIN, zum Teil MENDELEY et cetera) seit geraumer Zeit bedienen (vgl. Bettel, Frank, & Miljes, 2018). Die Bibliotheken tun sich jedoch bisher noch schwer, vergleichbare Vernetzungsstrukturen aufzubauen, auch wenn Teile der Daten in Infrastrukturen wie beispielsweise die ORCID91 exportiert werden.

Kunsthistorische Bibliotheken der Schweiz und ihre Informationsquellen

Um herauszufinden, welche der genannten Informationsangebote an den fünf schweizerischen Kunstgeschichts-, den sieben Kunsthochschulbibliotheken sowie den Webseiten von SIK/ISEA referenziert sind, wurde im August 2023 ein vergleichender Blick auf die entsprechenden E-Medien- und Vermittlungsportale geworfen (vgl. Mathys, 2023).92 Auch wenn die Untersuchung keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt und das Feld per se dynamisch ist, lassen sich erste Tendenzen ablesen.

Der Zugriff auf elektronische Ressourcen wird von den 14 untersuchten Einrichtungen unterschiedlich gehandhabt: Einerseits präsentieren acht der 14 Fachbibliotheken auf ihren Webseiten kuratierte Linklisten, welche die Ressourcen strukturieren (Abb. 1). Andererseits verlinken die Webseiten der Universitäten Portale und E-Produkte. Hinzu kommt der Sucheinstieg über die Datenbanksuche(n) der Hochschulen.

Abb. 1: Collage der Vermittlungsseiten von E-Ressourcen der Schweizer Kunstgeschichts- und Kunsthochschulbibliotheken

Zur Strukturierung der Informationsangebote wird eine Klassifikation nach Medienart (Bild, Text, Video, Bibliographie) bevorzugt.93 Viele Plattformen bieten gemischte Quellenarten an, sodass beliebige Kombination von Text-, Bild-, Audio- und Videoinhalten vorkommen, die nur teilweise explizit gemacht werden (vgl. Abb. 2). Zudem enthalten von den 268 aufgeführten Datenbanken nur 22 (8%) mehrere Medientypen und mithin nichttextuelle Daten.

Abb. 2: Auswertung der Zugänglichkeit digitaler Rechercheportale in Abhängigkeit von der/den jeweiligen Medienart/en

Interessant ist auch der Blick auf die referenzierte Produktpalette (vgl. Abb. 3). Sieht man von der INTERNATIONAL BIBLIOGRAPHY OF ART ab, die von fast allen Einrichtungen referenziert wird, ist ARTSTOR mit elf Verlinkungen das am häufigsten referenzierte Portal, das zugleich auch nichttextuelle Quellen zugänglich macht. Danach diversifiziert sich das Portal-Spektrum gemäss den jeweiligen Vermittlungs- beziehungsweise Forschungsschwerpunkten der Bibliotheken aus. 42 Datenbanken (knapp 22%) werden von zwei oder mehreren Einrichtungen referenziert, 183 sind nur einmal genannt.94

Abb. 3: Auszug der erhobenen Produktpalette (vgl. Mathys, 2023)

Dass ausgerechnet eine geschlossene Datenbank der Spitzenreiter unter den genannten Portalen ist, widerspiegelt den Befund der gesamten Untersuchung: In der Regel werden vor allem lizenzpflichtige sowie geschlossene Portale und Datenbanken referenziert. Die „populärsten“ Ressourcen sind also nicht frei verfügbar.95 Unter den fünf Informationsangeboten, die von mindestens der Hälfte der Institutionen angeboten wird,96 befindet sich mit ARTHISTORICUM.NET nur ein einziges Open-Access-Portal. Inwiefern es erstaunt, dass sich beim Text-Nichttext-Vergleich der Findmittel die Zugänglichkeit der Quellen (open/closed) umgekehrt proportional verhält, muss jede/r für sich entscheiden: Von den 123 erhobenen Textdatenbanken führen nur 54 (knapp 44%) explizit frei zugängliche Quellen. Hingegen sind 40 der 50 gelisteten Bilddatenbanken (80%) im Open-Access-Segment geführt.

Überraschend ist zudem, dass nur wenige hochschuleigene Repositorien im Bereich der E-Ressourcen verlinkt sind.97 Auch fehlen oft Hinweise auf institutionsübergreifende Kulturportale wie zum Beispiel MEMOBASE, E-RARA et cetera, an denen die Hochschulen beteiligt sind.98 Ähnlich selten wird die Möglichkeit genutzt, über die Vermittlungsseiten der E-Ressourcen Produkte zu verlinken, die nicht lizenziert und/oder im Bibliothekskatalog von SLSP (SWISSCOVERY) aufgeführt sind. Auch fehlen Hinweise auf die zuvor genannten Portale/Netzwerke RE3DATA, OPENDOAR, DaSCH sowie DARIAH weitgehend.99

Obwohl Open Science nicht nur das persistente Referenzieren und/oder Publizieren von Forschungsresultaten meint, sondern stets zyklisch gedacht wird, scheint dieser Zirkelschluss der (Nach-)Nutzung  und der Rückführung/Vermittlung der Quellen zum Beispiel in der Lehre im betrachteten Feld bisher wenig praktiziert. Das mag zwar organisatorisch begründet sein oder durch Abteilungs- und Kommunikationsstrukturen.100 Aber wir sollten uns dennoch überlegen, wer längerfristig die Partner sein sollen und welche Botschaften mit den Referenzlisten verbunden sind. Dass die untersuchten, lizenzpflichtigen Produkte immer häufiger umfangreiche Open-Access-Sammlungen beinhalten, die neben textbasierten Quellen eine wachsende Anzahl an nichttextuellen Ressourcen führen (vgl. ARTSTOR via JSTOR), sollte nicht über die hinterlegten Geschäftsmodelle hinwegtäuschen. Natürlich liegt es in der Natur des selektiv kuratierenden Blicks der Vermittlungswebseiten, dass nicht alle Ressourcen überall aufgeführt werden. Teilweise wirken die Lücken der wechselseitigen Verlinkung aber genauso unglücklich, wie das angedeutete Strukturproblem: die Werbemassnahmen für Lizenzprodukte überwiegen das Vermittlungsengagement von Open Access. Wenig verwunderlich, dass bei der Recherche keine fachlichen Verbünde aufgetaucht sind, die ähnlich wie die RELIGIONSWISSENSCHAFTLICHE BIBLIOGRAFIE (RELBIB)101 oder der INDEX THEOLOGICUS (IXTHEO)102 Open Access kooperativ kuratieren würden.

Fazit

Trotz oder wegen der Überfülle an Daten, Stakeholdern und Interessen ist eine deutliche Differenz zwischen der geschaffenen Verfügbarkeit digitaler Kulturdaten und deren Auffindbarkeit und Nachnutzung spürbar. Während viele Bestände heute standardmässig listenartig oder mittels Datenbank durchsuchbar (Findablity) und online nachgewiesen beziehungsweise direkt abrufbar (Accessiblity) sind, finden sich erhebliche, ungenutzte Potenziale im Bereich des institutionsübergreifenden Austauschs von Metadaten und Daten (Interoperability). Das hat Effekte auf die Nachnutzung (Reusability).103 Linklisten sind nicht interoperabel!

Wenig hilfreich ist es zudem, wenn Repositorien mithilfe des ROBOTS EXCLUSION STANDARDS (robots.txt)104 die automatisierte Indexierung ihrer Inhalte untersagen. So können die Daten weder von den kommerziellen Suchmaschinen (Google, Bing et cetera) noch von anderen botbasierten Aktualisierungsroutinen erhoben werden. Die betroffenen Quellen sind also darauf angewiesen, dass sie in ihren ursprünglichen Datensilos zufällig entdeckt oder in Publikationen referenziert und (nach-)recherchiert werden.

Das Aufkommen kooperativer Portale wie SWISSCOLLECTIONS,105 BASEL COLLECTIONS,106 DIGITALES SCHAUDEPOT,107 dem PORTAL FOR AFRICAN RESEARCH COLLECTIONS (PARC)108 oder mit Blick auf Methodisch-Operatives VERNETZT.MUSEUM109 lässt vermuten, dass die Zugangsproblematik von den Bibliotheken wahrgenommen wird. Im skizzierten Defizit kann also auch eine Chance für künftige Priorisierungen erkannt werden. Die Kunst- und Museumsbibliotheken, ihre Datenbasen, Bestände und Mediensammlung, aber auch das, was man früher unter dem Begriff der Informations- oder Recherchekompetenz zusammenfasste, haben grosses Potential.

Nach einer vielgliedrigen Phase der Digitalisierung nichttextueller Kulturdaten steht jetzt jene Vernetzung an, die auf der Metadatenebene für bibliografische Informationen bereits Realität ist.110 Mit dem DUBLIN CORE und beispielsweise den Getty Crosswalks (Baca, Harpring, Ward, & Beecroft, 2017/2018) liegen Modelle vor, welche entsprechende Mappingoptionen aufzeigen. Auch wirkt der Zeitpunkt für eine kooperative Wende günstig. Der technologische Wandel zu Cloudtechnologien hat das Infrastrukturzeitalter eingeläutet, wodurch diverse technische Hürden entfallen und gemeinsame disziplinspezifische (Bearbeitungs-)Werkzeuge denkbar werden.111 Zusammenarbeit ist nicht zuletzt in Anbetracht beschränkter finanzieller und ökologischer Ressourcen (Rechenleistung, Speicherkapazitäten) geboten.

Die erhobenen Informationsmittel der kunsthistorischen Einrichtungen suggerieren, dass neben profilrelevanten Differenzen viele Gemeinsamkeiten bestehen. Insbesondere die Bereiche offener Kulturdaten bieten vielfältige Möglichkeiten zu Kooperation und Kollaboration oder einfach dem, was die dänische openGLAM-Konferenz programmatisch in ihrem Titel festschreibt: SHARING IS CARING.112

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