Die ETH-Bibliothek begreift das Thema generative künstliche Intelligenz (KI) als Chance, um sich innerhalb der ETH Zürich bei der Vermittlung von Informationskompetenzen (IK) verstärkt als Kompetenzzentrum zu positionieren. Das Thema generative KI soll mit verschiedenen Themenbereichen der IK verzahnt und vermittelt werden. Um dies zu erreichen, geht sie das Thema auf drei Ebenen an: Zum einen in der Organisationsentwicklung und Personalentwicklung, zum anderen mit Vernetzung, Kollaborationen und Projekten innerhalb der Hochschule sowie zum dritten mit der Weiterentwicklung des Angebotsportfolios und der Bereitstellung von zusätzlichen Informationen für ihre Zielgruppen.
Keywords: Generative künstliche Intelligenz, Informationskompetenz, Plagiatsprävention, Organisationsentwicklung, Personalentwicklung, Vernetzung, wissenschaftliches Schreiben
Generative artificial intelligence (AI) is an opportunity for ETH Library to strengthen its position within ETH Zurich as a centre of competence for teaching information literacy. It is paramount to interlink the topic of generative AI with the various aspects of information literacy. To achieve this, the topic is addressed on three levels: Firstly, in organisational and personnel development; secondly, with networking, collaborations and projects within the university; and thirdly, with the further development of the portfolio of services and the provision of additional information for its target groups.
Keywords: Generative artificial intelligence, information literacy, prevention of plagiarism, organisational development, personnel development, networking, scientific writing
Generative künstliche Intelligenz ist sowohl für Universitäten im Allgemeinen als auch für Hochschulbibliotheken im Speziellen ein Game Changer: Die Absolventinnen und Absolventen müssen – innerhalb der sogenannten 21st Century Skills (zum Beispiel Kennedy & Sundberg, 2020; Tight, 2020; Voogt & Pareja, 2010) – mit Kompetenzen zur Nutzung von generativen KI-Tools ausgestattet werden. Die Vermittlung von fachspezifischen, methodenspezifischen, sozialen und persönlichen Kompetenzen, die in den letzten 20 Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen hat (zum Beispiel La Cara et al., 2023; Sauter, 2018), wird durch die breitflächige Nutzung dieser Technologie noch wichtiger. Gleichzeitig sehen sich Hochschulbibliotheken damit konfrontiert, dass sie viele ihrer Dienstleistungen auf die sich veränderten Erwartungen der Hochschulangehörigen hinsichtlich technologischer Funktionsweise ausrichten müssen.
Bibliotheken sind ein – wenn nicht der – zentrale Ort, an dem neben Informationskompetenz (IK) auch verbundene Themenfelder wie wissenschaftliche Integrität und Plagiatsprävention vermittelt werden (Darr, 2019; Eaton, 2021). Sarah Elaine Eaton (2021) hebt die Rolle der Bibliotheken in der Vermittlung dieser Themen hervor, da die Bibliothek eine zentrale Anlaufstelle für alle Universitätsangehörigen ist, wo sie in einem neutralen und unabhängigen Kontext Fragen diskutieren können. In dieser Rolle sieht sich auch die ETH-Bibliothek, denn sie hat den Auftrag, den Angehörigen der ETH Zürich – und hierbei insbesondere Studierenden und Doktorierenden – die notwendigen Fähigkeiten zu vermitteln. Das Ausbreiten von künstlicher Intelligenz in mehr oder weniger sämtliche Felder der IK erfordert allerdings eine Neuausrichtung sowohl der angebotenen Beratungen und Kurse (Hilscher et al., 2024) als auch inhaltliche Weiterentwicklungen. Für diese Transformation müssen die Mitarbeitenden fit gemacht und die notwendigen Ressourcen bereitgestellt werden.
In diesem Artikel beschreiben wir die Massnahmen, welche wir an der ETH-Bibliothek angehen, um die aktuellen Entwicklungen als Chance für unsere Zukunft in der Hochschullandschaft ummünzen zu können: Generative künstliche Intelligenz soll dazu dienen, die Positionierung der ETH-Bibliothek als relevante Bildungspartnerin im Bereich der Informationskompetenz innerhalb der ETH Zürich auszubauen und zu festigen.
Nahezu alle Ebenen des wissenschaftlichen Arbeitens sind vom Aufkommen von generativer KI betroffen, insbesondere der Schreib- und Publikationsprozess (Oertner, 2024; Stokel-Walker & Van Noorden, 2023; „The AI Writing on the Wall“, 2023). Die Erstellung wissenschaftlicher Arbeiten wird mehr und mehr zu einem co-kreativen Prozess von Mensch und Maschine, womit nicht zuletzt auch ethische und rechtliche Aspekte in den Fokus rücken (Liebrenz et al., 2023).
An den Hochschulen werden neue Kompetenzen zum effektiven und verantwortungsbewussten Umgang mit generativer KI benötigt (Smith et al., 2024). Diese KI Literacies beinhalten die Fähigkeit, sich über aktuelle rechtliche (Datenschutz, Persönlichkeitsrecht, Urheberrecht) und ethische Aspekte zu informieren. Hinzu kommen Kenntnisse zur Funktionsweise, zu Chancen und Risiken sowie zur Bedienung der Tools, ferner das Wissen darüber, welches Tool sich für welche Aufgabe eignet sowie die kritische Kontrolle der von der KI generierten Ausgabe (Brommer et al., 2023; European Association for Teaching Academic Writing (EATAW), 2024).
Als Hochschulbibliothek deckt die ETH-Bibliothek wesentliche Themenbereiche bei der Unterstützung von Studierenden, Forschenden und Lehrenden ab. Die Angebote im Bereich der IK bewegen sich sowohl entlang der User Journeys als auch des Schreib- und Publikationsprozesses. Wir erachten es deshalb als unsere Aufgabe, die Angebote derart weiterzuentwickeln, sodass KI als ein integraler Bestandteil von IK vermittelt wird: KI trifft also auf IK. Wir sind überzeugt, dass dies wesentlich dazu beiträgt, zukunftsfähig zu bleiben und uns als Kompetenzzentrum für IK weiterzuentwickeln und weiter zu etablieren.
Das Hochschulforum Digitalisierung (Brommer et al., 2023) sieht folgende Rahmenbedingungen als Voraussetzung dafür, dass wissenschaftliches Schreiben auch in Zeiten von generativer KI verantwortungsvoll möglich ist:
„eine verantwortliche Hochschul- und Wissenschaftskultur,
das Bereitstellen von finanziellen und personellen Ressourcen,
transparente Informationsflüsse sowie kontinuierliche Aus- und Weiterbildung aller Hochschulangehörigen,
die Studiengangsentwicklung und
das Prüfungsrecht.“ (Brommer et al., 2023, p. 14)
Um innerhalb dieses Kontextes die Rolle der ETH-Bibliothek bezüglich der Vermittlung von IK in Zeiten von generativer KI stärken zu können, haben wir drei Handlungsfelder identifiziert, die wir im Folgenden diskutieren: Organisationsentwicklung, Vernetzung und Kollaboration sowie Weiterentwicklung des Angebotsportfolios. Dabei gehen wir auf bereits getätigte, aber auch geplante Massnahmen ein. Ziel ist, die Mitarbeitenden mit „der neuen Welt“ vertraut zu machen, ihnen Ängste zu nehmen und ihnen die Bedarfe der Zielgruppen im Zusammenhang mit generativer KI zu verdeutlichen.
Wir haben zeitnah erkannt, dass sich generative KI sowohl grossflächig auf die Dienstleistungen als auch auf die Aufgaben der Mitarbeitenden und somit auf deren Kompetenzprofile auswirken wird. Um als Bibliothek für diese Entwicklungen gerüstet zu sein, müssen Massnahmen in der Organisationsentwicklung ergriffen werden. An der ETH-Bibliothek verfolgen wir drei Stränge: 1. ein umfassendes Trendmonitoring, 2. eine vielseitige Personalentwicklung sowie 3. eine strukturelle Organisationsentwicklung. Auf diese drei Stränge wird im Folgenden eingegangen.
Es hat sich gezeigt, dass das Trendmonitoring aufwendiger ist, als zunächst vermutet. Nicht nur werden bei generativen KI-Tools wie ChatGPT oder Perplexity fortlaufend neue Funktionen ergänzt, sondern es kommen ständig neue generalistische und spezifische Tools auf den Markt. In Systemen aus dem Bibliotheksumfeld werden kontinuierlich KI-Plugins und Add-ons integriert, wie etwa in den Bereichen Recherche (zum Beispiel Scopus, Dimensions) oder Literaturverwaltung (zum Beispiel Zotero). Diese Funktionen gilt es zu testen und zu evaluieren; gegebenenfalls sind Dienstleistungen wie Kurse und Beratungen entsprechend zu ergänzen (vergleiche Abschnitt 3.3). Die Beteiligung an kollaborativen Projekten (vergleiche Abschnitt 3.2) erwies sich hierbei als besonders fruchtbringend: Über die Mitarbeit in einem Projekt und das dort stattfindende Trendmonitoring wurden wir fortlaufend über Entwicklungen informiert.
Um neue Dienstleistungen qualitativ hochwertig erbringen zu können, benötigen die Mitarbeitenden zusätzliche Kompetenzen, die im Rahmen der Personalentwicklung aufgebaut werden. Dazu gehören zuvorderst Grundlagenkenntnisse über die Funktionsweise von Large Language Models, generativer KI und so weiter, gefolgt von Anwendungskenntnissen im Sinne eines how to click zur Nutzung spezifischer Tools. Entsprechend eines method-media-match fällt darunter auch die Auswahl des richtigen KI-Tools für die jeweilige Aufgabe entsprechend ihrer Funktionalität. Und nicht zuletzt sind – bisher noch viel zu wenig diskutiert – Kenntnisse über rechtliche Aspekte von Nöten, wozu neben dem Urheberrecht insbesondere Informationssicherheit und Vertragsrecht im Umgang mit lizenzierten Quellen – auch vor dem Hintergrund der Schulschranke – gehören.
Neben einem ersten überblicksartigen Workshop zu KI-Tools für Mitarbeitende der bibliotheksinternen Sektion „Information und Lernumgebungen“ und einem intensiv genutzten MS-Teams-Kanal zur Förderung des Austausches und der gegenseitigen Information innerhalb der ETH-Bibliothek erfreuen sich Ateliers zur Vorbereitung von Kursen mit ‘hands-on’-Charakter grosser Beliebtheit. Das Ziel dieser „Kursvorbereitungsateliers“ ist die inhaltliche Integration des Themas generative KI in die einzelnen Veranstaltungen. Bei Bedarf werden externe Fachpersonen zur Unterstützung hinzugezogen. Diese Weiterbildungsangebote sind eng verzahnt mit weiteren, insbesondere solchen zur Förderung der hochschuldidaktischen Kompetenzen (Schoenbeck, 2024, pp. 62-68).
Die strukturelle Organisationsentwicklung erweist sich als grosse Herausforderung. Die Auseinandersetzung mit generativer KI nahm an der ETH-Bibliothek zunächst unkoordiniert an verschiedenen Stellen ihren Anfang. Einen zentralen Nukleus stellten die Angebote für das wissenschaftliche Schreiben und die Plagiatsprävention dar. An anderen Stellen innerhalb der ETH-Bibliothek begannen Mitarbeitende – nicht zuletzt aufgrund von Fragen von Studierenden und Forschenden – sich vertieft mit der Thematik auseinanderzusetzen und Angebote zu schaffen. Engagierte, interessierte Mitarbeitende stiessen Initiativen an und entwickelten sich aus eigenem Antrieb zu Fachpersonen.
Die hohe Motivation und Eigeninitiative sind begrüssenswert, dennoch wird dadurch strukturell ein kaum zukunftstaugliches Ungleichgewicht provoziert: Das Management muss folglich sicherstellen, dass die neuen Themen und Dienstleistungen mit den klassischen Bibliotheksthemen inhaltlich und personell verzahnt werden. Ansonsten besteht die Gefahr, dass sich sowohl Einzelpersonen als auch ganze Teams satellitengleich auf eigene Umlaufbahnen begeben.
Henriette Rösch (2023, circa Minute 3:20, Folie 5) beschreibt für die Open-Access-Transformation eine vergleichbare Entwicklung: Die neuen Dienste wachsen in die Organisationen hinein, sind von engagierten Einzelpersonen abhängig und werden quer zur klassischen Bibliotheksorganisation eingegliedert. Sie plädiert dafür, nachhaltige und professionelle Strukturen aufzubauen. Für uns an der ETH-Bibliothek ist es entscheidend, dass wir sowohl das Personal mit bibliothekarischer Ausbildung fit für neue Themenfelder machen als auch fähige Mitarbeitende mit anderen Ausbildungen und aus anderen Studiengängen – teilweise sogar mit Forschungs- und Lehrerfahrung – gewinnen und mit dem nötigen Bibliothekswissen ausstatten.1
Aus strategischer Perspektive ist es für uns als Hochschulbibliothek entscheidend, dass generative KI nicht als komplett neues Thema betrachtet wird, sondern wie Kapitel 1 erläutert als eine methodische Erweiterung der bibliotheksgenuinen Informationskompetenzen, weil die Förderung von Informationskompetenz „[…] eine unbestrittene Aufgabe von wissenschaftlichen Bibliotheken […]“ (Schoenbeck, 2024, p. 59) ist. Auf diese Weise kann die Position der ETH-Bibliothek gestärkt und ausgebaut werden. Deshalb gilt es, nicht nur das Thema KI in bestehende Vermittlungsangebote zu IK zu integrieren, sondern auch das Personal und die Organisation entsprechend zu entwickeln. Gerade die organisatorische Eingliederung stellt an der ETH-Bibliothek eine Knobelaufgabe dar: Entwickelt man an den entsprechenden thematischen Schwerpunkten eigene Teams oder im Sinne einer Matrix-Organisation übergreifende Kompetenzeinheiten oder gar ein Ambassadoren-System? Rösch (2023, Folie 7) spricht mit Blick auf Open Access von Personalentwicklung und gleichzeitigem Personalumbau. Die neuen Aufgaben müssen – so unser Ziel an der ETH-Bibliothek – Eingang finden in neue Stellenprofile, welche sowohl innerhalb von Teams als auch teamübergreifend aufeinander abgestimmt sein müssen.
In Zeiten schrumpfender Budgets gilt es, im Rahmen der Organisations- und Personalentwicklung Schwerpunkte zu setzen, gegebenenfalls auch eine Verzichtsplanung zu machen, um mit freiwerdenden (Personal-)Ressourcen neue Profile und neue Kompetenzen schaffen zu können. Gleichzeitig können mit sinnvollen Kooperationen Synergien geschaffen und so Ressourcen erschlossen werden.
Ein zweites zentrales Handlungsfeld, das es den Mitarbeitenden der ETH-Bibliothek ermöglicht, sich zum einen weiterzubilden und zum anderen Dienstleistungen zum Thema generativer KI zu entwickeln, ist die Vernetzung und Kollaboration inner- und ausserhalb der Hochschule.
Die Vernetzung mit den Departementen und anderen Akteuren innerhalb der Hochschullandschaft Zürich, gerade in Bezug auf die Vermittlung von IK, beschäftigt die ETH-Bibliothek nicht erst seit dem Aufkommen von generativer KI. Seit mehreren Jahren suchen wir den gezielten Austausch mit verschiedenen Einheiten innerhalb der ETH Zürich, beispielsweise dem Rektorat, den Lehrspezialistinnen und -spezialisten und den Departementen (Welte et al., 2023). Darüber hinaus nehmen wir regelmässig an hochschulweiten Informations- und Vernetzungsanlässen teil und richten selbst Netzwerkveranstaltungen aus. Mit dem Aufkommen von generativer KI hat sich gezeigt, dass dank dieser bereits geknüpften Beziehungen die existierenden Kooperationen eine natürliche Fortsetzung erfahren. Im Folgenden beschreiben wir zwei dieser Aktivitäten genauer.
Bei der jährlichen durch die ETH-Bibliothek organisierten Netzwerkveranstaltung „Learn & Talk“ kommen Mitarbeitende verschiedener ETH-Einheiten zusammen, um anhand aktueller Themen die zahlreichen Perspektiven auf das Thema IK sichtbar zu machen. Ziele sind primär der Austausch von Know-how, das gegenseitige Kennenlernen sowie fachliche Diskussionen über organisatorische Einheiten hinweg. In den vergangenen Jahren standen die Schwerpunktthemen im Zusammenhang mit generativer KI: „Wie verändert Künstliche Intelligenz (KI) Informationskompetenz?“ (2023) und „Gute wissenschaftliche Praxis im Umgang mit Informationen“ (2024) (Bärtsch et al., 2024).
In dem von Juni 2023 bis Juni 2024 im Departement für Umweltsystemwissenschaften laufenden Projekt „Assessing the Potential of AI for Scientific Writing Techniques“ waren wir als Projektpartnerin beteiligt. Im Kontext dieses vom ETH-internen Innovedum Fonds für innovative Lehre geförderten Projektes entstanden im Rahmen von drei Modulen zahlreiche Lehr- und Lernmaterialien (Petterson & Paschke, 2024) sowie Fallbeispiele zur wissenschaftlichen Integrität (Paschke & Mihálka, 2024). Die ETH-Bibliothek unterstützte in erster Linie im Modul „Plagiat und künstliche Intelligenz“ und entwickelte eine eigene Unterwebseite zum Thema (Künzle & Bärtsch, 2024) sowie neue Lernabschnitte für zwei bibliothekseigene Selbstlernkurse (vergleiche Abschnitt 3.3). Zentrale Elemente dieses Projektes waren das laufende Trendmonitoring und die Aufbereitung dieser Informationen für Departementsangehörige.
Auf Basis dieses ersten Projekts konnten wir ein zweites Innovedum-Vorhaben einwerben; diesmal als Projektleitung. Die zusätzlichen finanziellen Ressourcen erlauben es uns, ab August 2024 während eines Jahres einen eigenen Online-Selbstlernkurs zum Thema generative KI an der Schnittstelle zu allen relevanten IK-Bereichen zu entwickeln und ausserdem mit neuen Kursformaten (Flipped Classroom, Pop-up-Informationsstände) zu experimentieren. Ziel ist es dabei, Studierende und Forschende aller Departemente beim verantwortungsvollen und effektiven Einsatz von generativer KI in ihrem Studien- und Arbeitsalltag zu unterstützen und mit ihnen zusammenzuarbeiten. Hierfür werden wir unser Netzwerk in den Departementen und die Sounding Boards der ETH-Bibliothek nutzen.
In einem dritten Innovedum-Projekt sind wir wiederum als Projektpartnerin involviert. Hierbei geht es um eine Curriculumsrevision zweier Studiengänge, bei der die ETH-Bibliothek mitwirkt und so die Vermittlung von IK bereits auf Bachelorstufe integriert werden kann. Das strategische Ziel dieser Kollaboration ist, Informationskompetenz in die Curricula zu integrieren und mit den Fachkompetenzen zu verzahnen, um so auch die strikte Trennung zwischen extracurricularen und fachlichen Kompetenzen aufzulösen und die ETH-Bibliothek als zentrale Einrichtung näher zu den Departementen zu bringen (Schoenbeck, 2024, pp. 60-62).
Für eine gelungene Entwicklung des dritten von uns identifizierten Handlungsfeldes ist die schrittweise Umsetzung der beiden ersten eine notwendige Voraussetzung. Dennoch konnten wir einige Angebote bereits im Lauf der Jahre 2023 und 2024 entwickeln:
Thematische Erweiterung von Selbstlernkursen
Die ETH-Bibliothek bietet zwei Selbstlernkurse auf der Lehr- und Lernplattform Moodle an, wo Studierende und andere interessierte Personen unabhängig von Zeit und Ort Informationen abrufen können. Der Kurs „Ready for Take-Off: So starten Sie Ihre Bachelor- und Masterarbeit“ wurde mit Informationen zum Thema „Schreiben mit KI-basierten Tools“ ergänzt. Der zweite Kurs mit Fokus auf Literaturverwaltungsprogrammen enthält Informationen zur Plagiatsprävention sowie die wichtigsten Hinweise im Zusammenhang mit generativen KI-Tools.
Neue Kurse zur Nutzung von generativen KI-Tools beim wissenschaftlichen Schreiben
Seit Herbst 2023 bietet die ETH-Bibliothek mit „Scientific writing: Using ChatGPT effectively and responsibly“ und „Mastering scientific writing with ChatGPT and other AI tools“ zwei neue Kurse an, die auf grossen Anklang stossen: Von September 2023 bis Mai 2024 fanden circa 30 Kurse mit etwa 500 Teilnehmenden statt. Die grosse Mehrheit der Teilnehmenden waren Doktorierende, PostDocs und andere in der Wissenschaft tätige Personen aus dem ETH-Bereich, aber auch aus anderen universitären Institutionen der Schweiz.
Neue Webseite zu „Plagiat und künstliche Intelligenz“
Die Themen wissenschaftliche Integrität und Plagiat haben mit dem Einzug von generativer KI noch einmal erheblich an Bedeutung gewonnen, was sich besonders deutlich in den beiden neu ins Programm aufgenommenen Kursen zeigte. Die Studierenden und Forschenden wollen wissen, wie und in welchem Umfang generativer KI im wissenschaftlichen Schreiben eingesetzt werden darf und unter welchen Umständen es erlaubt ist, von generativer KI produzierte Texte in einer Arbeit zu verwenden. Die bestehende Webseite zur Plagiatsprävention wurde um eine weitere ergänzt, die die wichtigsten Informationen an der Schnittstelle von Plagiat, Zitieren und generativer KI aufzeigt. Diese Webseite umfasst Informationen zu rechtlichen Aspekten, Hinweise zum kritischen Umgang mit von generativer KI erstelltem Output sowie zur Deklaration der Nutzung von generativen KI-Tools.
Neue Technologien wie generative künstliche Intelligenz können als Hebel genutzt werden, um die herkömmliche Vermittlung von überfachlichen Kompetenzen modernen Erfordernissen anzupassen. Folglich ermöglicht es generative KI wissenschaftlichen Bibliotheken, ihre Rolle in der Vermittlung von IK und 21st Century Skills zu festigen und zu vertiefen. Einige konkrete Erkenntnisse, die wir an der ETH-Bibliothek in den letzten eineinhalb Jahren im Umgang mit generativer KI gewonnen haben, sind:
Kooperationen als Katalysator für neue Angebote: Generative KI als Querschnittsthema eröffnet der ETH-Bibliothek die Möglichkeit, mit anderen Fachstellen und Einheiten innerhalb der ETH Zürich zusammenzuarbeiten, Know-how zu teilen und Synergien zu nutzen. Bei der zeitnahen Erweiterung bestehender und Entwicklung neuer Angebote zum Umgang mit generativer KI hat sich gezeigt, wie wichtig Kooperationen sind. Die verschiedenen Perspektiven auf diese für alle Abteilungen neue Technologie erleichtern den Umgang mit Fragen der Hochschulangehörigen rund um generative KI-Tools. Hierbei spielen nicht zuletzt die Einhaltung wissenschaftlicher Integrität und die Plagiatsprävention beim wissenschaftlichen Schreiben eine entscheidende Rolle. Diese Thematik hat an Bedeutung gewonnen und mündete in eine enge Zusammenarbeit mit dem Rektorat der Hochschule. Kooperationen mit anderen hochschulinternen Fachstellen erhöhen gleichzeitig den Druck, up-to-date zu sein, schnell zu handeln und den Kundinnen und Kunden die benötigten Informationen zeitnah liefern zu können. Dennoch geht es nicht darum, Bestehendes über den Haufen zu werfen, sondern sich ständig weiterzuentwickeln und das Neue in Bestehendes zu integrieren.
Vernetzung als Katalysator für Personalentwicklung: Vernetzung ist eine Möglichkeit, um in Bezug auf technologische Entwicklungen auf dem Laufenden zu bleiben und neue Impulse zu erhalten. Austausch und Zusammenarbeit erfordern es zudem, dass die entsprechenden Bibliotheksmitarbeitenden sich Wissen zu diesen Themen aufbauen. Durch geeignete Austauschgefässe können die neuen Impulse und das Wissen dann innerhalb der Bibliothek weitergegeben werden.
Der Druck, bestehende IK-Angebote stetig voranzubringen, wächst. Als Bibliothek einer international ausgerichteten Hochschule muss die ETH-Bibliothek zeigen, dass sie sich im Bereich Informationskompetenz weiterentwickelt – sowohl thematisch als auch in der Art der Vermittlung. Eine Herausforderung besteht darin, dass die Angehörigen der Hochschule bei neuen Technologien über tendenziell mehr Wissen verfügen und mehr am Puls der Zeit sind als die Mitarbeitenden der Bibliothek. Diese muss deshalb jene thematischen Aspekte identifizieren, bei denen sie ihren Zielgruppen einen Mehrwert bieten kann. Dies kann jedoch nur gelingen, wenn die Bibliotheksmitarbeitenden laufend über Entwicklungen informiert werden beziehungsweise sich selbst informieren. Um dieses Wissen in neue Dienstleistungen zu transformieren, müssen sowohl die Organisation laufend den Erfordernissen angepasst als auch das Personal kontinuierlich weiterentwickelt werden. Die strategisch kluge Allokation von Ressourcen für den Schwerpunkt „Informationskompetenz“ ist deshalb ein wesentliches Element in der langfristigen Positionierung einer Hochschulbibliothek.