First, put option for translation so that comments will flow in. I do not understand a word here. I am a Wikipedian but cannot understand German.
I am not aware of such a feature in PubPub.
Die Möglichkeiten, die sich Bibliotheken im Wikiversum bieten, werden oft noch unterschätzt. Vielfältige Gemeinschaften konsultieren die offenen digitalen Werkzeuge der globalen Portalfamilie täglich, bauen sie individuell aus und reichern sie an. Sowohl die Nutzung von Bibliotheken durch Angehörige dieser Gemeinschaften als auch die Nutzung des Wikiversums durch Bibliotheken bleiben häufig noch eine Einbahnstraße. Dabei können wir beidseitig von diesen Potentialen profitieren: in der Wissenschaftskommunikation, für die erhöhte Sichtbarkeit digitaler Sammlungen, crowdsourcing-basierte Erschließungsprojekte, kollaborative Editionen, offene bibliografische Metadaten und für das Community Building.
Im Beitrag wird gezeigt, wie die Werkzeuge und Methoden der Wikimediaportale für die Wissenschaftskommunikation einer Landes- und Universitätsbibliothek für bürgerwissenschaftliche und professionelle Forschungsprojekte genutzt werden. Wikidata, Wikisource, Wikiversity, Wikimedia Commons und Wikipedia dienen dabei in variierendem Maß als communityorientierte Publikations- und Kommunikationsorte für Transkriptionen, Visualisierungen, Software und als Linked Open Data-Hub. Jenseits der inhaltlichen Fokussierung werden so auch Methoden vorgestellt, die im Sinne einer Digital Information Literacy auch das Schulungs- und Veranstaltungsangebot öffentlicher Bibliotheken bereichern und einen Beitrag leisten können, Bibliotheken als wichtige Player im „Informationsmarkt“ zu positionieren.
The possibilities offered to libraries in the wikiverse are often still underestimated. The open digital tools of the global portal family are intensively consulted, enriched and expanded on a daily basis, both by individuals and by diverse communities. The use of libraries by members of these communities as well as the use of the Wikiverse by libraries often remain a one-way street. Yet we can benefit from these potentials on both sides: in scholarly communication, for increased visibility of digital collections, crowdsourcing-based indexing projects, collaborative editions, open bibliographic metadata and for community building.
The paper shows how the tools and methods of the Wikimedia portals are used for the scholarly communication of a state and university library, both for citizen science and for professional research projects. Wikidata, Wikisource, Wikiversity, Wikimedia Commons and Wikipedia serve to varying degrees as community-oriented publication and communication sites for transcriptions, visualisations, software and as a Linked Open Data hub. Beyond a focus on content, we also present methods that also enrich the training and event offerings of public libraries in the sense of digital information literacy. They can contribute to positioning libraries as important players in the "information market".
Fast alle kennen die Wikipedia.1 Viele benutzen die Enzyklopädie. Und als Recherchemittel gehört sie zum Alltag, auch durch das hohe Ranking in Suchergebnissen von Google. Gegründet 2001 liegt sie seit Ende der 2000er Jahre im deutschsprachigen Raum durchgängig in den Top 10 der meist aufgerufenen Internetangebote.2 Doch das Wikiversum besteht aus viel mehr Angeboten, die sich der Sammlung, Aufbereitung und Vermittlung von Wissen widmen. Das sind z. B.:
die Quellensammlung Wikisource, in der urheberrechtsfreie Texte editiert im Sinne von transkribiert werden, online seit 2003;3
das Medienarchiv Wikimedia Commons als eine Sammlung von freien Bild-, Audio- und Videodateien, online seit 2004;4
die Wikiversität (Wikiversity) als Plattform zur kollaborativen Erstellung offener Lern- und Lehrmaterialien, online seit 2006;5
die Datenbank Wikidata, in der Datenobjekte multilingual mit beliebig vielen Aussagen versehen und qualifiziert werden können, online seit 2012;6
u. v. m.7
All diesen Angeboten ist gemeinsam, dass ihre Inhalte unter freien Lizenzen veröffentlicht werden und so lizenzgebührenfrei genutzt und bearbeitet werden können. In der Regel handelt es sich dabei um die Creative Commons-Lizenz „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Unported“ (CC BY-SA 3.0)8. Die Datenobjekte in Wikidata stehen unter „CC0 1.0 Universell“9, weisen also keinen Urheberrechtsschutz auf und werden in die Gemeinfreiheit übergeben. Betrieben werden die Angebote des Wikiversums von der 2003 gegründeten Wikimedia Foundation10, die als gemeinnütziges Unternehmen den organisatorischen und technischen Hintergrund bildet. In Deutschland ist sie als Verein organisiert.11 Vor diesem Hintergrund bezeichnet der Begriff „Wikiversum“ für uns die Gesamtheit der Informationsinfrastrukturen und Gemeinschaften in den Wikimediaportalen und deren Verbindungen – Verbindungen technischer und soziokultureller Art: Software, Links und Sprachversionen bzw. multilinguale Gemeinschaftsportale.12
Im Saxonica-Referat der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB)13 betreiben wir seit 2017 Wissenschaftskommunikation mit Mitteln des Wikiversums für Akteure, Themen, Objekte und Projekte v. a. im Bereich der sächsischen Landeskunde. Im Mittelpunkt steht dabei die Vermittlung von wissenschaftlichen Methoden, nicht von fertigen Forschungsergebnissen als „Öffentlichkeitsarbeit“ oder „Wissenschafts-PR“, an ein Publikum außerhalb der eigenen Fachgemeinschaft im Sinne einer externen Wissenschaftskommunikation.14 Prägend sind u. a. die folgenden Handlungsfelder, die hier zunächst nur aufgezählt und später genauer vorgestellt werden:
Transkriptionen digitalisierter historischer Texte und Werke in Wikisource;
bibliografische Erschließung dieser Werke mit offenen Metadaten in Wikidata;
Erschließung von Blogposts (Saxonica) in Wikidata für Hypotheses-Blogs zu landeskundlichen Themen;
Wikidaten-Abfragen (Queries) zur Visualisierung dieser offener Kulturdaten;
Methodenentwicklung für landeskundliche Anwendungen mit Schwerpunkt auf den Portalen Wikisource, Wikidata und Wikiversity;
Vermittlung dieser Methoden an Interessierte im Sinne eines kontinuierlichen Community-Buildings;
Erstellung offener Bildungsressourcen;15
kollegiale Beratung anderer Menschen in Bibliotheken, öffentlichen wie wissenschaftlichen;
Dokumentation und Reflexion der Arbeit für offene Kulturdaten und offene Nutzer:innengemeinschaften durch hybrides Publizieren in Artikeln, Vorträgen, Social Media und mit Metadaten.
Die Entwicklung dieser landeskundlich motivierten Arbeiten im Wikiversum erfolgte teils zielgerichtet, teils ad hoc und getrieben von Ideen und kurzfristigen Anforderungen, die in lebendigen Kooperation laufend entstehen. Den programmatischen Hintergrund dafür bildet das Konzept Citizen Science – die „aktive Beteiligung von Personen an wissenschaftlichen Prozessen, die nicht in diesem Wissenschaftsbereich institutionell gebunden sind“16. Wie das Konzept in die Arbeit der SLUB eingebunden wird und wie die genannten Aktivitäten konkret gestaltet werden, wollen wir im Folgenden genauer ausführen.17
Unsere Sicht auf Citizen Science und die damit zusammenhängenden Aktivitäten wie eben Wissenschaftskommunikation geht von den gesetzlichen Kernaufgaben der SLUB als wissenschaftlicher Universalbibliothek mit verschiedenen Rollen aus.18 Unser Bibliotheksreferat „Saxonica“ befasst sich im Rahmen der Rolle der SLUB als Landesbibliothek mit sächsischer Landeskunde, mit dem Sammeln von über Sachsen erscheinenden Publikationen – ob gedruckt oder digital –, mit der Erarbeitung der Sächsischen Bibliografie als Literaturdatenbank sowie mit der Netzwerkpflege mit Akteuren der Heimatforschung, der Orts-, Regional- und Landesgeschichte, der Genealogie oder von Wiki-Communities in Sachsen. Zugleich ist die SLUB Universitätsbibliothek der Technischen Universität Dresden und in die Forschungs- und Publikationskulturen sowie in wissenschaftspolitische Debatten über Open Science eingebunden. Auf dem Campus treibt die Bibliothek die Open Access-Strategie voran, führt bibliometrische Analysen durch, bietet offene Lern- und Lehrräume wie den Makerspace, das Open Science Lab und das Textlab – ergänzend zu traditionellen Aufgaben wie der Bereitstellung der für Forschung, Lehre und Studium relevanten Literatur. Ausgangspunkt sind so die gesetzlichen Aufgaben der SLUB, während die Anforderungen forschender Bürger:innen, von Mitarbeiter:innen in Forschungsprojekten und Forschungsinstitutionen die Nachfrageseite für entsprechende Angebote darstellen. Um diese beiden Welten, die der professionell und der in ihrer Freizeit forschenden Menschen zusammenzubringen, ist die weitestmögliche Offenheit von Forschungsprozessen einerseits eine Voraussetzung, indem sie als die prinzipielle Bereitschaft gesehen wird, andere an den eigenen Vorhaben partizipieren zu lassen. Andererseits kann sie als Methodenset dienen, das den einfachen Zugang zu Quellen, zu Werkzeugen und zu Forschungsergebnissen ermöglicht. Seinen Ausdruck gefunden hat dieser Ansatz auch im Leitbild des 2019 veröffentlichten Strategiepapiers der SLUB: „Wissen teilen – Menschen verbinden“.19
Im Kontext unserer Aktivitäten erfolgt dabei eine Konzentration auf die Arbeit mit offenen Kulturdaten, verstanden mit Helene Hahn20 als digitalisierte Publikationen und Objekte aus sog. GLAM-Institutionen („Galleries, Libraries, Archives, Museums“) und deren offen erschlossene Objekte, Inhalte und Metadaten sowie ihre offene Kuratierung, Bereitstellung und Bearbeitung im Sinn von Linked Open Data – also mit persistenten Identifiern versehene, maschinenlesbare, frei verfüg- und nutzbare Daten. Der bürgerwissenschaftliche Umgang mit diesen offenen Kulturdaten wird von uns als „Open Citizen Science“ bezeichnet, sofern die Ergebnisse wiederum offen präsentiert und damit zur Nachnutzung und weiteren Bearbeitung bereitgestellt werden.21 Jenseits der eigenen, i. d. R. geschlossenen Bibliothekssysteme sind die offenen Portale des Wikiversums dafür mögliche Infrastrukturen. Sie bieten für eine solche Arbeitsweise auch insofern gute Voraussetzungen, als jede einzelne Version eines Artikels, Datensatzes usw. dauerhaft referenzierbar ist und jederzeit nachvollzogen werden kann, wer wann welche Änderung vorgenommen hat.
„Stellen Sie sich eine Welt vor, … in der alle Menschen am Wissen der Menschheit teilhaben, es nutzen und mehren können. Das ist unsere Vision von Freiem Wissen!“, formuliert Wikimedia Deutschland e. V. in der eigenen Vision für die Wikimediabewegung in Deutschland mit ihren Institutionen (Stiftungen, Vereine, Gremien), die die verschiedenen Portale tragen, betreiben, weiterentwickeln und vertreten. Diese Bewegung für freies Wissen ist divers strukturiert in vielen Ländern und Sprachvarianten – mit jeweils variierenden Regelsystemen. Als Sender und Empfänger sind wir mit der Marke und mit den Botschaften für das Landeskundeportal Saxorum22, für die SLUB Dresden und individuell Akteure in öffentlichen und institutionellen Arenen der Wissenschaftskommunikation.
Landeskundliche Wissenschaftskommunikation für das Publikum und die Kooperationspartner:innen des Landeskundeportals Saxorum ist eine Kombination aus Social Media mit dem Twitter-Kanal @saxorum23, wissenschaftsorientiertem Bloggen und im Idealfall Open Access-Publikationen in Zeitschriften und Büchern sowie mit Vorträgen. Insbesondere die deutschsprachigen Portale Wikisource, Wikiversity und Wikipedia sowie die multilingualen Portale Wikidata und Wikimedia Commons dienen im Wikiversum dafür fallweise als Werkzeuge, Informationsquellen und -speicher sowie als Kommunikationskanal zwischen den dort Aktiven.24 Die funktionale Vielfalt dieser digitalen Arbeitsumgebungen findet sich auch in der Vielfalt ihrer potentiellen kommunikativen Funktionen wieder: Wir verlinken in Blogs und Tweets inhaltliche Kontexte im Wikiversum, nutzen Vorschaubilder der technischen Metadaten oder verweisen auf Datenpflegebedarf. Aber was genau geschieht in den einzelnen Portalen?
Wikidata ist eine freie und offene Wissensdatenbank, die sowohl von Menschen als auch von Maschinen gelesen und bearbeitet werden kann. Sie dient als zentraler Speicher und damit als Datenrückgrat für strukturierte Daten der Wikimedia-Schwesterprojekte wie Wikipedia, Wikivoyage, Wiktionary, Wikisource und anderen. Wir nutzen Wikidata für die Erschließung und Visualisierung von Inhalten des Saxorum-Weblogs25 und weiterer landeskundlicher Blogs auf der Plattform Hypotheses26, für die Markierung von Saxonica als Teil der Sächsischen Bibliografie, für Tiefenerschließung und Georeferenzierung von Wikisource-Saxonica-Transkriptionen und anderer Grauer Literatur. Wikidata-Abfragen, sog. Queries, ermöglichen die Analyse und Visualisierung der Metadatenbestände, bspw. in Karten und Häufigkeitsdiagrammen für inhaltliche Schlagworte.27
Scholia28 ist ein Projekt zur Präsentation bibliographischer Informationen und wissenschaftlicher Profile von Autoren und Institutionen unter Verwendung von Wikidata. Es wird im Rahmen der größeren WikiCite-Initiative29 entwickelt, die darauf abzielt, bibliographische Metadaten in Wikidata über Ressourcen zu indizieren. Sie können dann dazu verwendet werden, Behauptungen auf Wikidata, Wikipedia oder anderswo zu belegen. Wir nutzen Scholia für die Visualisierung und Analyse unserer eigenen Bibliografien sowie um potentiellen Nutzer:innen die Verwendung von Wikidata schmackhaft zu machen.
Wikisource ist eine Sammlung von Texten und Quellen, die entweder urheberrechtsfrei sind oder unter einer freien Lizenz stehen. Das Portal wird von den Nutzer:innengemeinschaft selbst als ein Qualitätsprojekt bezeichnet, das seine Texte mit den Scans der Quelle vergleichbar macht. Wikisource benutzen wir für Transkriptionen, kleine und große Editionsprojekte – eigene mit Saxonicabezügen und relevant für die Regionalbibliografie und solche Projekte, an denen wir uns beteiligen bzw. die wir begleiten. Themen- und Autor:innenseiten in Wikisource bieten Gemeinschaftsprojekten die Möglichkeit digitale Quellensammlungen als Linklisten zu pflegen. Der Dresdner Geschichtsverein nutzt dies inzwischen systematisch für die Dresdner Hefte und Vorgängerpublikationen wie die Dresdner Geschichtsblätter. Das Citizen Science-Projekt Die Datenlaube30 ist eine deutsch-österreichische Kooperation von Christian Erlinger und Jens Bemme mit dem Dresdner Matthias Erfurth zur Wikidata-Erschließung vorerst der Ausgaben der Illustrierten Die Gartenlaube des 19. Jahrhunderts, deren Scans in Wikisource korrigiert werden.
Die Wikipedia benutzen wir in der Hauptsache für die Unterstützung bei der Normdatenpflege in der Sächsischen Bibliografie bzw. in der Gemeinsamen Normdatei (GND). Wikipedia-Nutzer:innen können auf der Diskussionsseite des Gemeinschaftsaccounts der Mitarbeiter:innen der Bibliografie auf fehlende Normdatensätze, nicht erfasste Veröffentlichungen oder fehlerhaft verknüpfte Artikel zu einem Thema im Verbundkatalog hinweisen, die dann durch uns korrigiert werden können.31 Zum Ausbau der Vernetzung mit anderen Onlineangeboten erfolgt seit einiger Zeit v. a. für Personenartikel in der Wikipedia eine Verknüpfung mit den zugehörigen Normdaten der GND, die auch in der Bibliografie zur eindeutigen Identifizierung von Personen verwendet wird. Um die gegenseitige Verlinkung zu unterstützen und die Identifikation relevanter Titel zu erleichtern, stellte das Referat Saxonica der SLUB im September 2016 eine Vorlage zur leichten Einbindung von Daten aus der Bibliografie in Wikipedia-Artikel zur Verfügung.32 Damit wird die Rolle der Wikipedia als Referenzpunkt von Wissenschaftskommunikation im Sinne der externen Vermittlung von Forschungsergebnissen aufgegriffen.33 Kolleg:innen in der SLUB schulen wir im Rahmen der jährlichen Kampagne 1lib1ref, wie sie selber Informationen in die Wikipedia einbringen können.34 Außerdem beteiligen uns gelegentlich am Dresdner Wikipedia-Stammtisch35, um Projekte und deren Protagonisten zu treffen, deren Neuigkeiten ggf. mittels Social Media zu verbreiten, Kooperationen anzubahnen und Themen zu beobachten und für den Saxorum-Blog zu generieren.
Das zentrale Mediensammlung Wikimedia Commons dient uns als Schaufenster und Medienspeicher für die Einbettung und Verknüpfung offen lizenzierter digitaler Objekte: Scans, Fotos, Konferenzposter, Logos, Graphic Recordings und vektorisierte historische Illustrationen (SVG).36 Mit Structured Data on Commons können diese und insb. Saxonica mit Wikidata-Items erschlossen werden.37 Commons-Kategorien mit Wikidata-Verknüpfungen ermöglichen systematische Erschließungsprojekte, etwa wie sie die Dresdner Wiki-Community für die Straßen der sächsischen Landeshauptstadt durchgeführt hat: Mittlerweile sind alle Dresdner Straßen in Wikidata durch Datenobjekte repräsentiert, mit Koordinaten versehen und den jeweiligen Nachbarstraßen verknüpft. In den Wikimedia Commons ist zu den Abbildungen der Straßen eine aus Wikidata generierte ausführliche Infobox verfügbar.38
Wikiversity ist das Projekt der Wikimedia Foundation zum gemeinschaftlichen Erstellen von freien Lehr- und Lernmaterialien. Die deutschsprachige Portalversion gehört offenbar mit der englischen und der französischen zu den drei umfangreichsten Wikiversitäten.39 Wikiversity nutzt Jens Bemme als Ersatz für PowerPoint-Präsentationen, für Kurse und Kursmaterialsammlungen mit dem Vorteil, Medien der Schwesterportale barrierefrei einbetten zu können (Bilder, Poster, Texte und Referenzen).40 Einfache Verlinkungen anderer offener Repositorien und Materialien sind ohnehin möglich. Dabei entstehen offene Lernmaterialien, sog. Open Educational Ressources. Subjektiver Eindruck in der deutschen Wikiversität: Als Werkzeug ist sie im akademischen Umfeld in Deutschland weitgehend unbekannt und ungenutzt. Einzelne Enthusiast:innen an Hochschulen und Universitäten und Aktivist:innen der Wikimediabewegung nutzen das Portal für Lehrveranstaltungen, als Lehrmaterial und andere Projekte und Programme.41 Doch auch als Werkzeug lokaler Bildungs- und Forschungsprojekte könnte die Wikiversität als offene bürgerwissenschaftliche Infrastruktur für Bildungsinstitutionen, Lernende und Lehrende sein und so für Kommunen selbst an Bedeutung gewinnen. Nicht zuletzt kann sie als digitaler Übungsort für Bearbeitungen in geografisch benachbarten Bildungsprojekten mit lokalen Wissensbeständen des Wikiversums dienen.
Die Wikiversity als technische Plattform integriert Wissensbestände auf inhaltlich semantischer und potentiell didaktischer Ebene, während Wikidata dies mit strukturierten maschinenlesbaren Daten für alle Schwesterprojekte leistet und Wikimedia Commons für komplexere Medienobjekte, die im Wikiversum plattformübergreifend eingebettet und wiederum durch Wikidata erschlossen – also durch multilinguale Metadaten – beschrieben werden können. Die Wikiversität kann also für Lehrende und Lernende als ein zentraler inhaltlicher Knotenpunkt der eigenen offenen Projektarbeit fungieren – auch lokal.
Ausgehend von Erschließungs- und Editionsprojekten in Wikisource und mit Wikidata sowie Artikel- und Datenpflege in der Wikipedia entwickelten sich Aktivitäten des Referats Saxonica/Landeskunde im Wikiversum portalübergreifend seit 2016.42 Die Kulturdatenprojekte im Umfeld von Saxorum folgen inzwischen einem von Linked Open Data geprägten Verständnis für die Vernetzung der funktional ausdifferenzierten Daten- und Informationswerkzeuge und -infrastrukturen und -landschaften im Wikiversum. Wikipedia ist eine Enzyklopädie, Wikisource ist Textsammlung, Wikidata ist das vernetzende Datenrückgrat usw. Diese Werkzeuge stiften insbesondere im Zusammenhang zusätzliche Nutzen: Lern- und Netzwerkeffekte, Sichtbarkeit, mediale Reichweite, Offenheit, Beteiligung, Langzeitverfügbarkeit und Maschinenlesbarkeit.
Mit der öffentlichen Nutzung des Wikiversum und begleitender Kommunikation für Landeskundethemen mit Twitter und Blog bieten wir kontinuierlich Anlässe für Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten dort – berufliche und private, professionelle Forschung und Citizen Science. Und wir bieten durch regelmäßige und individuelle Beratungsangebote sowie Werkstätten in gewisser Weise eine „mentale Infrastruktur“ für Publikationen historischer Quellen, deren Edition und Datenpflege in Wikimediaportalen. Mit Linked Open Storytelling (Q66631860)43 bezeichnen wir diese Kommunikation mit und über offene (Kultur-)Daten und deren Verknüpfungen. Eigene Veröffentlichungen über diese Arbeit, Methoden und Themen entstehen als hybride Publikationen – digital im Internet und in elektronischen Dokumenten sowie analog, indem wir Wikidata-Items und Hashtags auch in gedruckten Texten vermitteln.44
Die leider abgesagte Konferenz WissKom2022 eignet sich als einfaches Beispiel dieser Arbeitsweise und Wissenschaftskommunikation. Anfang Oktober 2021 – nach Veröffentlichung des Calls auf Twitter – war kein Wikidata-Item der Tagung zu finden. Am 5. Oktober legten wir das Item (Q108805555) selbst an, um es für unsere Kommunikation in den Sozialen Medien zu benutzen.45 Auch solche offenen Metadaten sind Ressourcen für die Wissenschaftskommunikation. Für die Formal- und Sacherschließung des vorliegenden Aufsatzes in Wikidata benötigen wir das Wisskom2022-Datenobjekt ohnehin.
Unsere übergreifenden Arbeitsthesen für diese digitale #Wisskomm sind:
Wissenschaftskommunikation profitiert von offenen Daten, von ihrer öffentlichen Produktion, Pflege und selbstbewusst offener Benutzung und Inszenierung;
Offene Wissenschaft funktioniert, wenn wir pragmatisch Werkzeuge, die offen zur Verfügung stehen, für die Forschung, für Kooperationen, Wissenschaftskommunikation und Transfer nutzen, um
Gelegenheiten zu schaffen für Beteiligung und Kooperation und um diese sichtbar zu machen, denn
„Hackathon ist immer“46.
Wir kooperieren im Wikiversum vor allem mit Individuen und nur mittelbar mit institutionellen Akteuren. Nutzer:innengemeinschaften insb. in Wikipedia und Wikisource arbeiten auch ohne unsere Beteiligung oder Intervention zusammen. Community-Building – verstanden als bibliothekarische Aufgabe – ist insofern oft nur für Projekte und Kooperationen nötig, die neu starten oder sich aus bestehenden Projekten neu ergeben.
Bisher liegt ein Schwerpunkt deshalb auf Netzwerkarbeit mit bereits Aktiven, um bei Bedarf von Wissensvorsprüngen anderer zu profitieren, z. B. in Bezug auf Technologie- und Sammlungswissen. Für Neueinsteiger:innen im Wikiversum geht es meist um Methodenvermittlung und mehr oder weniger geschützte kommunikative Räume, um erste Schritte gemeinsam zu unternehmen: Begleitung und Beratung. Öffentliche Wissenschaftskommunikation mit offenen Kulturdaten des Wikiversums als netzwerkpflegende Communityarbeit schafft im Idealfall für diese beiden Akteursgruppen immer wieder Gelegenheiten für Datenpflege- und Projektarbeiten, für die Nutzung von Projektergebnissen und deren Weitergabe, Werkstattberichte sowie Anstöße, selbst eigene Projekte zu starten und zu verknüpfen.
Die SLUB profitiert dabei von deren Rückmeldungen in Bezug auf den eigenen Bibliotheksbestand (z. B. Scankorrekturen, Digitalisierungswünsche, Metadatenpflege). Aus pragmatischen Kontakten an der Nahtstelle zwischen Bürgerwissenschaft und Bibliothekspersonal ergeben sich zuweilen engere kollegiale und freundschaftliche Kooperationsbeziehungen bis hin zu gemeinsamen Publikationen und Förderanträgen.
Relevante Gruppen und Gemeinschaften sind für die SLUB-Projekte im Wikiversum insbesondere Dresdner Wikisource-Nutzer:innen, Dresdner Wikipedianer:innen (Wikipedia-Stammtisch), an Wikipedia und an Citizen Science interessierte Kolleg:innen in der SLUB und in anderen Bibliotheken47, sowie Engagierte in Geschichtsvereinen48, die diese digitalen Methoden für die Vereinsarbeit verwenden möchten.
Nach Jahren persönlicher Mitarbeit in Wikisource, Wikidata und Wikipedia haben wir an einigen Veranstaltungen teilgenommen – gelegentlich an den regelmäßigen Terminen bzw. als veranstaltende Gastgeber. Jeden Dienstagmorgen findet seit August 2020 digital der DatenlaubeJam statt. Anfangs war der Termin das wöchentliche Projekttreffen für das bibliothekarisch geprägte Citizen Science-Projekt Die Datenlaube. Es geht dabei 30 bis 60 Minuten informell um Die Gartenlaube, in Wikisource und Wikidata und um digitale Nebensächlichkeiten. Davon ausgehend verwandeln die derzeitigen Teilnehmer:innen den DatenlaubeJam seit Anfang 2022 in eine Wikisource- und Wikidatawerkstatt für digitalisierte Publikationen des Dresdner Geschichtsvereins und der Vorgängerinstitutionen. Öffentliche Notizen des DatenlaubeJams in der Wikiversität bieten wöchentlich Einblicke und sozial medial Kommunikationsanlässe.
Am Twitterchat BIBChatDe beteiligten wir uns 2021 und 2022 mit Expertenchats zu den Themen Citizen Science49 und Wikiversum50 in Bibliotheken. Die von uns angelegte BibChatDe-Themenseite in der Wikiversität stützt und dokumentiert diese Gesprächsformate.51 Auch für das zehnjährige Jubiläum (Twitter: #dehypo10) des deutschsprachigen Blogportals für die Geistes- und Sozialwissenschaften Hypotheses schufen wir nach Absprache eine solche Wikiversityseite52, um den Kurs Eigene Metadaten für eigene Blogposts am 18. März 2022 zu dokumentieren.53
Institutionelle Kooperation mit Wikimedia Deutschland e. V. in der SLUB waren das Wiki Library Barcamp 201654 und zwei Vor-Ort-Termine der Tech on Tour 2017 und 2019.55 Jens Bemme wurde 2019/20 im Open Science-Förderprogramm Fellows Freies Wissen56 gefördert.
Für die Konferenz Forum Citizen Science legten wir 2021 eine Wikimedia Commons-Kategorie und eine Wikiversitysseite an, um Poster der Posterausstellungen, die leider nicht dauerhaft archiviert werden, selbst publizieren und in Mediawiki-Wikis einbetten zu können. Bürger schaffen Wissen plant diese Seiten beim Forum Citizen Science 2022 selbst zu nutzen und bei Teilnehmer:innen des Forums als Möglichkeit zur Selbstarchivierung und Verlinkung der Beiträge bewerben.57
Während der Digitalen Mittagspause von Bürger schaffen Wissen am 25. März 2022 entstand ein Graphic Recording, das mittels Wikimedia Commons nachträglich in der Wikiversity-Kursseite eingebettet wurde.58 Solche Illustrationen und landeskundlich relevanten Tagungsposter sammeln wir auch in der Commons-Kategorie Saxorum59, die als weiterer Open Data-Knoten für das Landeskundeportal fungiert.
Ein zweiteiliges Webinar Wikidata und Heimatforschung fand im Sommer 2021 mit dem Sächsischen Landeskuratorium ländlicher Raum e. V. statt, wurde als Kurs in der Wikiversität, auf Youtube und im Saxorum-Blog dokumentiert.60 Der Kurs war als Test konzipiert, um zu lernen wie Heimatforscher:innen mit Wikidata vertraut gemacht werden können. Beiläufige Erwähnungen von Wikisource im Webinar führten bei einem Nutzer61 zum Besuch des Wikisource-Infopunktes62 in der SLUB-Zentralbibliothek und inzwischen zu mehreren abgeschlossenen Transkriptionsprojekten für Werke der Dresdner und der Dresden-Plauenschen Ortsgeschichte.
Was lässt sich aus dieser Fülle an Beispielen nun ableiten und vielleicht generalisieren? Der Begriff „Wissenschaftskommunikation“ scheint öffentliche Bibliotheken zunächst von den bisher skizzierten Methoden und Praktiken auszuschließen. Abstrahiert man diese aber mit Blick auf einen allgemeinen Ansatz zur Unterstützung von „Wissenskommunikation“, können sie auch das Schulungs- und Veranstaltungsangebot öffentlicher Bibliotheken bereichern. Auf einer theoretischen Ebene lassen sich hier Bezüge zum Begriff der Informationskompetenz/information literacy herstellen, der unter den Bedingungen der Digitalisierung in den letzten Jahren zahlreiche Erweiterungen um verschiedene, einander teilweise überschneidende Konzepte63 erfahren hat – z. B. um die Konzepte einer Datenkompetenz/Data Literacy als „die Fähigkeit, Daten kritisch zu sammeln, zu verwalten, zu bewerten und anzuwenden“64 oder einer Digitalkompetenz/Digital Literacy als „die Fähigkeit, Informations- und Kommunikationstechnologien zu nutzen, um Informationen zu finden, zu bewerten, zu erstellen und zu vermitteln, was sowohl kognitive als auch technische Fähigkeiten erfordert“65.
Zusammenfassen lassen sich diese Kompetenzen mit dem Begriff einer Digital Informationen Literacy (oder angesichts der Vielzahl der Definitionsansätze besser Digital Informationen Literacies) verstanden als die „Fähigkeit, Informationen in einer Vielzahl von Kontexten der digitalen Technologie zu beschaffen, zu verstehen, zu bewerten und zu nutzen“66, wobei es vor allem auch gilt, die sozialen Aspekte dieser Kontexte mitzudenken. Die Methoden und Praktiken der Wissensvermittlung im und mit dem Wikiversum erscheinen uns als geeignete Ansätze, solche Fähigkeiten weiterzugeben: Hier werden digitale Anwendungen genutzt in denen die Menschen, die wir bei der Entwicklung dieser Fähigkeiten unterstützen wollen, auch schon ohne uns unterwegs sind – während sich „die Wissenschaft” hier häufig noch schwer tut.67 Über Wikimediaportale hinaus kann das, was wir gelegentlich salopp als „verlinkende Datendenke“ bezeichnen, auf andere offene Daten- und Wissensbestände übertragen und angewendet werden.
Öffentliche Bibliotheken als eben öffentliche und potentiell zugleich offene Institutionen in Stadtgesellschaften, Kommunen und anderen Gebietskörperschaften haben damit erst recht Bedeutung für lokale und regionale Daten und Wissensbestände – und für deren Nutzung im als Bildungsressourcen. Pflege und Kuratierungen offener Daten – seien es Daten aus Kultureinrichtungen, des Mobilitätssektors, deren Metadaten oder sozioökonomische Zeitreihen – können längst kooperativ mit datenaffinen Bürger:innen erfolgen – potentiell nicht nur punktuell in mehrtägigen bzw. mehrwöchigen Sprintformaten wie den Coding da Vinci-Hackathons, sondern langfristig und kontinuierlich. Diese „Citizen Data Scientists” engagieren sich ohnehin für ihre Daten- und Rechercheprojekte (Stadt- und Regiowikis, ortsbezogene Themenportale der Wikipedia, Sammlung von Messdaten zur Feinstaubbelastung oder Niederschlagsmenge, Zählen von Vogel- und Pflanzenpopulationen u. a.). Funktional könnten öffentliche Bibliotheken auch als Naht- und Schnittstellen zwischen diesen Bürger:innen, städtischer Verwaltung, Politik und Institutionen oder informellen Gruppen der Zivilgesellschaft fungieren, analog zur Scharnierfunktion einer Universitätsbibliothek wie der SLUB auf dem Campus der TU Dresden. Mit Citizen Science City bezeichnen wir diesen Ansatz, Citizen Science als kommunale Entwicklungsstrategie zu denken.68 Der Begriff Wikiversitätsstadt (oder Wikiversity City)69 ist ein Impuls, die Konzepte Universitätsstadt bzw. Hochschulstadt auf die offene Infrastruktur der Wikiversität als urbane Portale für offene Bildungsressourcen zu denken und damit das Wikiversum auch verstärkt in lokalen Bildungszusammenhängen zu nutzen.
Die funktionalen Differenzierungen der Wikimediaportale und -werkzeuge sind dabei einerseits Chance, andererseits Herausforderung. Wissenskommunikation im und mit dem Wikiversum sollte diese multiplen Dimensionen und vor allem zunächst die Wissenslücken aller darin und daran Beteiligten berücksichtigen. Dies gilt erst recht, wenn das Selbstverständnis der eigenen bibliothekarischen und kommunikativen Arbeit beinhaltet, die Methoden für das Wikiversum als Elemente souveräner Digital Information Literacies zu vermitteln. Bibliotheken stehen insofern gleichzeitig vor mehreren Aufgaben im Kontext von Wissenskommunikation:
Anschluss zu finden und zu halten an technologische und didaktische Möglichkeiten im Wikiversum;
dieses Wissen sowohl an Bibliotheksmitarbeiter:innen als auch an Nutzer:innen zu vermitteln;
darauf aufbauend spezifisch bibliothekarische Methoden, Vermittlungsformate und Nutzungsszenarien zu entwickeln, zu evaluieren und auszubauen.
Wir hoffen, mit den dargestellten Beispielen dazu einige Ansätze zu liefern, und freuen uns auf viele weitere Begegnungen im Wikiversum.
Jens Bemme studierte Verkehrswirtschaft und Lateinamerikastudien. Er arbeitet im Bereich Landeskunde und Citizen Science im Referat Saxonica der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB). Er forscht zu historischem Radfahrerwissen um 1900, insbesondere der Oberlausitz und des Baltikums. Seine weiteren Interessen sind Dorfbacköfen und ‘Die Datenlaube’.
Martin Munke studierte in Leipzig, Chemnitz und Prag mit Abschlüssen in Europäischer Geschichte (B.A.) und Europäischer Integration mit Schwerpunkt Ostmitteleuropa (M.A.). Seit 2016 leitet er das Referat Saxonica an der SLUB und ist seit 2017 zudem stellvertretender Leiter der Abteilung Handschriften, Alte Drucke und Landeskunde ebenda. Zu seinen Arbeitsschwerpunkten, die er auch als Lehrbeauftragter an der Technischen Universität Dresden vertritt, gehören die sächsische Landesgeschichte vor allem in ihren Beziehungen zum ostmitteleuropäischen Raum sowie digitale Methoden und Bürgerforschungsprozesse an der Schnittstelle von Bibliothek und Fachwissenschaften.